Version 2.1


Willi von Wiliberg, (auch Wikli genannt damals) wurde in dieses kuriose Dasein geworfen zu Mariä Himmelfahrt 1951 in Bern und war bass erstaunt. Mit solch einer Welt hatte er irgendwie nicht gerechnet. Der Vater stammte aus Langenthal und die Mutter aus Rotterdam. Der Vater, später während Jahrzehnten das Szepter in der Küche des Grand Hotels Regina in Grindelwald führend, arbeitete Ende der 40er Jahre auf dem Dampfer “Nieuw Rotterdam”, welcher zwischen Southampton, New York und Südamerika verkehrte, als Schiffskoch. Da ist es natürlich naheliegend, dass er eine Hafenstadtbewohnerin mitbrachte, als er wieder zurückkehrte. Es scheint, dass die Familie von einem Fernweh-Virus befallen ist, befindet sich doch von den Geschwistern, schliesslich fünf an der Zahl, bloss noch eins in der Schweiz. Zwei sind nach Australien ausgewandert, eins nach Deutschland, und auch unser Protagonist wandert schon seit Jahren im Fahrwasser seiner mittlerweile Angetrauten von einem Land ins andere. Auch gab es mütterlicherseits schon zwei Onkel, welche nach Australien ausgewandert waren. Einer davon ist jedoch mittlerweile verschollen.

Nach dem Umzug 1955 in die Nähe der Gletscher (dieser Umzug war ursprünglich ganz woanders hin geplant gewesen, nämlich nach Barbados; das Schicksal hat offenbar interveniert in der Meinung, das wäre etwas übertrieben) war Wikli grad noch einmal erstaunt, und erst noch doppelt. Zum einen: als er nämlich zum ersten Mal die Berge sah, meinte er, diese seien durchsichtig. Später konnte er sich auch nicht mehr erklären, wie er zu dieser Anschauung gekommen war. Zum andern hiess er plötzlich nicht mehr Wikli, sondern Wiltsch. Jedenfalls wohnte er nun dort, “an der Spillstatt”, welche wahrscheinlich nichts mit Spielen zu tun hat, sondern eher etwas mit Schütten (to spill)? Trotzdem hat er dort viel gespielt und noch nicht allzuviel verschüttet. Während der ersten Nacht am neuen Wohnort verschüttete er aber viele Tränen. Er sah nämlich die ganze Nacht Fische durch sein Zimmer schwimmen.

Dann kam bald einmal die Schulzeit, die vermaledeite, der Marsch durch die nach Kreide riechende “Schindstitution”. Dabei fing es ganz gut an. Die ersten zwei Jahre waren eitel Wonne und Lernbegier. Als er aber weiterschritt auf den Stufen dieser beklagenswerten Einrichtung, traf er auf eine Lehrerin - ihr Name sei hier ganz ungeniert an den Pranger gestellt, und der Herr sei ihrer armen Seele gnädig: STEURI RUTH hiess das Miststück - die schien schon zum vornherein einen Tuck auf ihn geworfen zu haben. Vom ersten Tag an konnte er ihr nichts recht machen. Was er auch tat, war falsch, auch wenn es richtig war. Ein stummer und sehr einseitiger Zweikampf spielte sich ab, und er ging nicht als Sieger hervor, denn sie war die Lehrerin und hatte alle Macht und er wusste kaum, wie ihm geschah. Eines Tages nahm sie ihn zur Seite und hielt ihm eine ewig dauernde Standpauke über seinen durch und durch schlechten Charakter und wie er einmal noch böse enden würde. Von da an war er endgültig auf der Erde angekommen, alle Leichtigkeit war dahin. Und Schule war ihm fortan eine Qual, Lehrer seine Feinde. Auch als er nach zwei Jahren die nächste, sogenannte Sekundar-Stufe dessen, was das Schicksal bzw. der Kanton Bern zu seiner Erziehung vorgesehen hatte, betrat, war dies nicht mehr zu ändern. Ausserdem wartete da gleich wieder ein übler Schinder auf ihn, auch dessen Name sei hier nicht verschwiegen: FRANZ ANDERHALDEN hiess der Kerl. Mit einem eisernen Lineal paukte dieser deutsche und französische Grammatik in die Achseln der bedauernswerten Schüler. Zum Glück wurde dieser Spinner nach einem halben Jahr abgelöst durch eine Dame, welche zwar auch saftige Ohrfeigen verteilte; aber diese Ohrfeigen waren Balsam im Vergleich zu jenem Lineal, welches die Schultern zum Knirschen gebracht hatten. Dieses ohrfeigende Fräulein zog aber bald weiter, sodass die Schüler des betreffenden Jahrgangs in den Genuss einer weitern Attraktion kamen, sozusagen dem Tiefpunkt ihrer höheren Erziehung. JOSEF DERUNGS hiess diese Witzfigur. Eineinhalb Jahre lang war es diesem Halbwahnsinnigen vergönnt, mit und ohne Rohrstock prügelnd, Haarschöpfe mit beiden Händen hin und herreissend, furchtbare Drohungen ausstossend ("sonst hau ich Dir eine, dass das Blut spritzt"), durch die Klasse zu wüten, ohne dass jemand Einhalt gebot. Und während dieser ganzen eineinhalb Jahre lernte diese Klasse NICHTS. Den drei namentlich hier erwähnten Leuchten der Lehrfachs sei damit ein Denkmal gesetzt sozusagen stellvertretend für die pädagogische Unfähigkeit an sich, welche ja leider immer noch weit verbreitet ist. Der Kanton Bern aber sollte eigentlich den betroffenen Eltern das Steuergeld für diese Jahre zurückzahlen, denn was sie dafür erhielten, war nun wirklich nicht das Geld wert, jänuitem.


guglielm@swissonline.ch